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adventures of inga and chris

„Im Fluss“ oder „wie der Fluss dem Pass die Show stahl“ März 17, 2012

Filed under: posts from nz — wuestenkuh @ 1:20 am
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Dieser Text – nicht gerade „im Fluss“ verfasst – handelt davon, wie es sich anfuehlte „im Fluss“  zu sein, waehrend wir versuchten „im Fluss“ zu bleiben bei der gleichtzeitigen Bemuehung wieder aus ihm herauszukommen… und zwar am anderen Ufer…

Neuseelaendische Bergbaeche und -fluesse sind sehr spannend… wunderschoen, klar, blau, ihr Wasser erquickend an einem heissen Wandertag, es schmeckt gut und kuehlt die geschundenen Fuesse, Fluesse plaetschern ganz wundervoll, mal schneller mal langsamer in Wasserfaellen oder auch in kleineren Rinnsaelen, wenn sie denn fliessen… denn viele verschwinden, regnet es mal einige Zeit nicht. Sie tauchen aber schnell wieder auf, wenn der Regen beginnt, wachsen schnell an und verwandeln sich in oft reissende, graubraune Stroeme… und schwellen beinah so schnell wieder  ab.

Unsere letzte Wanderung mit unserer Mitbewohnerin Heide fuehrte noerdlich vom Lake Wanaka (um 500m) ueber den Gillespie Pass (um die 1500m): Es ist ein lieblicher, viertaegiger, im Winter nicht passierbarer Rundwanderweg mit einem eintaegigen Ausflug zu einem Gletschersee mit Eisbergen. Die Wanderung gilt als geheimer und noch nicht so recht entdeckter Pracht- und Touristenweg (Great Walk). Darum gibt es auf diesem Track (noch?) keine Bruecken. Er bietet also die erfreuliche Gelegenheit naehere Bekanntschaft mit neuseelaendischen Fluessen zu machen, sie hautnah zu erleben…

Der Weg war grossartig im Sonnenschein, die erste Flussquerung ein gutes Erlebnis: Schuhe, Socken, Hosen in den Rucksack.. oder oben drueber legen, und dann – mit langen Stoecken bewaffnet, in Sandalen, Flipflops und barfuss – wateten wir durch den Strom. Blos schnell rueber und wieder anziehen! Ich glaube, den Sandflies galt dabei unsere groesste Aufmerksamkeit.  Christophs Knie waren umspuelt, Heide und mir ging das eisige Wasser auch nur beinahe bis zur Huefte. Zwar war die Stroemung spuerbar, doch waren wir alle relativ schnell… wegen der Sandflies eben und weils im Fluss doch kaelter wird als man denkt, wenn man noch trocken und warm von der Sonne ist. 3 israelische Wanderer, die direkt nach uns kamen, gaben sich gar nicht erst damit ab ihre Hosen auszuziehen fuer die Querung.. ist doch alles pillepalle, dachten die sich und erinnerten sich erst als ihnen das Wasser an den Oberschenkeln  stand, dass sie ja ipod und Kamera in den Beintaschen hatten.

Die Sonne erfreute uns zwei lange Tage und wir verbrachten viele Stunden mit frischem Kaffee und Nickerchen auf dem hart erkaempften Pass mit einer traumhaften Aussicht (’stunning view‘) auf die Suedalpen. Auch wenn die weit hoehere Gipfel haben, fuehlten wir uns auf dem Pass ein bisschen wie auf dem Dach von Kiwiana. Der Pass ist darum nicht nur in Hoehenmetern (immerhin 1100 plus auf und ab) der Hoehepunkt der Rundwanderung… Neuseelaender halten von Serpentinen eher wenig und bevorzugen den direkten Weg, drum gehts steil auf und ab auf ihren Wanderwegen, die Knie beschweren sich und man fuehlt sich als haette man in Wahrheit das Doppelte an Hoehenmetern ueberwunden.

Die Huetten waren aus- bis ueberlastet (Wie verteilt man 30Personen auf 20 Betten?), Australier wie junge Israelis scheinen die Gegend gleichermassen zu lieben…  und das zu recht!!!

Am dritten Tag zog eine Regenfront ueber die Tasmanische See direkt in die Westkuste hinein und es begann zu troepfeln, zu regnen und spaeter zu giessem… um nicht den Abendregen abzubekommen beschlossen wir den Gletschersee ‚zu ueberspringen‘ und nur ein kleines Stueck zu laufen zur naechsten Huette und dort den Regen abzuwarten. Das bedeutete eine weitere Flussquerung, die schon erheblich spannender war und die wir, praepariert wie bei der ersten, diesmal aber zu dritt, enguntergehakt vornahmen… das Wasser war kaelter und irgendwie reissender um die Beine und beim letzten der drei Flussarme definitiv hoeher als bei der Flussquerung zu Beginn der Wanderung… aber die Sonne schien ja noch und das Sandflyproblem war nicht ganz so draengend.

Wie erwartet liess der Regen das Wasser steigen und wir verbrachten einen ruhigen, vertraeumten und verfressenen Tag in der „Kerin Forks Hut“ zusammen mit einem Hollaender und zwei Australiern und sahen zu, wie der Fluss stieg und stieg, grau wurde, farblos und ziemlich reissend wurde,

wie der Regen irgendwann nachliess und der Fluss wieder abzuschwellen begann, langsamer wurde… sodass wir dann am darauffolgenden Tag gemeinsam mit einem der Australier einen „Ausbruch“ wagten. Wir waehlteneine Stelle weiter Fluss abwaerts. Dort sah das Wasser etwas weniger tief und auch etwas weniger schnell aus als an anderen Flussabschnitten.

Der Australier – muskelbepackt mit 30 Kilorucksack und einer riesen Portion Mut – ging als erster und alleine… und schaffte es, das Wasser bis zum Bauch, ganz ohne zu schwimmen ans andere Ufer. Das machte uns Mut!

Wieder zu dritt und wie ueblich ausstaffiert tasteten wir uns vor in den Fluss… der tiefer und tiefer wurde, eisigkalt war und an den Beinen riss.

Als das Wasser Heides und meinen Bauchnabel ueberstieg begann ich mich zu fragen, ob Rucksaecke tatsaechlich schwimmen koennen und wie es ist mit Rucksack auf dem Ruecken zu schwimmen. Wir gingen weiter… immer im Fluss.

Als das Wasser noch tiefer wurde stellten Heide und ich beruhigt fest, dass Rucksaecke tatsaechlich erheblichen Auftrieb besitzen und dass man auch ohne direkten Bodenkontakt ganz gut vorwaerts kommt… man muss eben immer im Fluss bleiben beim Paddeln. Tatsaechlich war mein groesstes Problem in dieser Phase, beim Paddeln die Flipflops an den Fuessen zu behalten.

Als mein erster Wanderschuh (sie hingen auf Hoehe meiner Schultern) mit Wasser vollief begann ich mir Gedanken darueber zu machen, ob die Rettung meiner Flipflops tatsaechlich so wichtig war und wie es sich anfuehlt, auf einem Rucksack einen Flusslauf hinabzureisen.

Zum Gluck hat Christoph diese wundervollen langen Beine und verliert – wie ja die meisten von euch wissen – nicht so schnell den Boden unter den Fuessen auch wenn ihm das Wasser „bis zum Hals“ zu stehen droht.

Halb schwimmend, halb laufend  und immer im (Bewegungs)Fluss bewegten wir uns nun also durch den  Fluss unaufhaltsam aufs andere Ufer zu. Nass, steif und uebergluecklich (ja nach dem Adrenalin gibt es Serotonin und Endophine fürs Hirn) kletterten wir die Uferboeschung hinauf, wo uns schon der Australier mit den Sandflies erwartete.

Letztere machten sich mit Begeisterung ueber uns her, waehrend wir versuchten an unsere trockene Kleidung (bei mir ganz unten im Rucksack, grrrr) zu kommen und diese anzuziehen.

Tja, der Rest dieser Wanderung erlebten wir wie im Traum… Sonnenschein, warme Luft, ein einfacher Weg… unterwegs trafen wir dann noch ein paar Israelis die uns zum Kaffeetrinken einluden, der Australier teilte seine letzten Essensvorraete mit uns: Kaese, Wurst und Chilischokolade! Und bevor wir in die Verlegenheit kamen die letzte Flussquerung in Angriff zu nehmen (diesmal sah es wirklich nach Schwimmen aus), fuhr ein Jetboot an uns vorbei. Natuerlich streckten wir die Daumen raus und wurden auch gleich ans andere Ufer gebracht… nicht ohne bei voller geschwindigkeit ein paar Kurven zu drehen. Wir vier waren alle sehr dankbar fuer diese trockene und warme Art der Flussueberquerung…

Nun wisst ihr, wie es war „im Fluss“ und warum der Fluss dem Pass die Show stahl… Bilder kommen auch bald noch .

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2 Responses to “„Im Fluss“ oder „wie der Fluss dem Pass die Show stahl“”

  1. B.+R. Says:

    Für diese Tour habt Ihr wohl von Marco Polo einen Geheimtip bekommen?
    Da muß man ja Angst haben,daß Ihr in den letzten Monaten die Ausrüstung
    ganz oder teilweise verliert.Vieleicht lauft Ihr am besten auf der Straße!(ha,ha)
    Wir sind jedenfalls froh Euch wieder „unten“ zu haben!Tourschilderung war sehr interessant-man war dabei!Bis bald

  2. Alex Says:

    Moin ihr mutigen drei (jetzt nur noch zwei;-)

    da wissen wir ja wer bei der nächsten Paddeltour den Retter spielt. Jetzt wo ihr erprobt seid. Was natürlich am schlimmsten ist, dass einen diese Sandfly Viecher auch nach größter überstandener Herausforderung nicht einmal eine Atempause geben. Mit Mitgefühl sei euch versichert.

    Grüße Alex


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